Fahnenweihe
Zu den Turnwettkämpfen, zumal wenn dabei ein Festzug stattfand, wurde fast immer die Vereinsfahne mitgebracht, das Symbol für die Turnergemeinschaft. Über die erste Fahne des Turnvereins Tauberbischofsheim wird im Protokollbuch ausführlich berichtet. Am 10. April 1865 richtet der Vorsitzende des Turnvereins, der Gerbermeister Wilhelm Knecht, ein Schreiben an das Großherzogliche Bezirksamt und „zeigt ergebenst an, dass die Frauen u. Jungfrauen der hiesigen Stadt zum Behufe der Anschaffung der Turnerfahne eine Collecte dahier zu eröffnen beabsichtigen, und bittet hierzu um Ertheilung der amtlichen Genehmigung“.
Die erste Fahne des Turnvereins – sie hängt heute im Biedermeierzimmer des Tauberfränkischen Landschaftsmuseums – wurde also von Frauen genäht und gestickt, nachdem sie zuvor zur Anschaffung der Materialien eine Sammlung durchgeführt hatten; dafür war selbst im als liberal geltenden Großherzogtum Baden damals noch eine behördliche Genehmigung notwendig.
In Tauberbischofsheim geschah also dasselbe wie fast überall in Deutschland. Da die Turnvereine bis weit in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts reine Männerbünde waren und die sportliche Betätigung von Frauen in der Öffentlichkeit überwiegend abgelehnt wurde, beschränkte sich deren Rolle in den Turnvereinen zunächst darauf, Fahnen und Fahnenbänder zu nähen und zu sticken, die sie dann dem Verein und den Turnern feierlich überreichen durften. Die mühsame Arbeit der Frauen klang in den Einladungen zur Fahnenweihe des Tauberbischofsheimer Turnvereins wenigstens an, so etwa in der Einladung an den Großherzoglichen Amtsrichter: „Der hiesige Turnverein begeht am Samstag, den 17. September, die feierliche Einweihung der ihm von den hiesigen Damen überreicht werdenden Vereinsfahne.“
In den Antwortschreiben der eingeladenen Vereine spiegeln sich die Schwierigkeiten wider, Veranstaltungsorte in der damaligen Zeit zu erreichen. Tauberbischofsheim hatte ebenso wie die meisten der eingeladenen Vereine noch keinen Eisenbahnanschluss. Die Taubertalbahn von Wertheim nach Lauda wurde erst 1868 in Betrieb genommen, die Verlängerung der Strecke nach Mergentheim erst 1869. Das Zeitalter der Kraftfahrzeuge war noch in weiter Ferne. Manche Vereine begründeten ihre Absage damit, dass sie nicht genügend Pferdefuhrwerke auftreiben könnten.
Viele, die zusagten, kündigten jedoch erstaunliche Teilnehmerzahlen an, meistens zwischen 10 und 20 Mann. Eine Rekordteilnehmerzahl meldete der Turnverein des kleinen Nachbarorts Hochhausen, der „ungefähr 30 Mann stark“ eintreffen wollte und sich für die Ankunft in Tauberbischofsheim noch etwas Besonderes ausgedacht hatte: „Wir werden unseren Einzug durch das Schäfersthor nehmen.“ Es war das letzte noch erhaltene Vorstadttor, durch das früher die Schafe auf die Weide in den Hochhäuser Grund getrieben wurden (an das frühere Schäferstor, auch Schaftor genannt, erinnert der vor dem Winfriedheim verlaufende Schafweg).
Die Fahnenweihe vom 17. September 1865 war allen Berichten zufolge ein erster Höhepunkt unter den Festen des Turnvereins. Auch die Kosten für die neue Fahne und für die Festveranstaltung selbst scheint man bewältigt zu haben, obwohl der Vorstand zuvor große Sorgen hatte und einen Spendenaufruf veröffentlichte, „damit die Vereinskasse nicht allzu sehr erschöpft wird“.
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