Wiederbeginn nach dem Krieg
Am 5. Februar 1919 trafen sich 17 Mitglieder des Turnvereins, um – so das Protokoll – „die Turnerei frisch ins Leben zu rufen“. Es fanden Neuwahlen statt und fast alle wichtigen Vereinsämter wurden neu besetzt. Die sportlichen Aktivitäten liefen wieder an; Wettkämpfe und Turnfeste wurden wie früher fleißig besucht.
Dabei war immer wieder das Problem zu lösen, wie man zum Ort einer Veranstaltung kam. War man in der Vorkriegszeit oft noch gezwungen gewesen, mit Pferdefuhrwerken anzureisen, zumal wenn Orte ohne Eisenbahnanschluss erreicht werden mussten, so gab es jetzt wenigstens Kraftfahrzeuge. Meist wurden Lastkraftwagen benutzt, die von örtlichen Besitzern zur Verfügung gestellt wurden. Zum Gauturnfest am 2. August 1925 in Walldürn reisten die Tauberbischofsheimer Teilnehmer mit einem LKW an. Auf einem alten Foto sieht man die fast 30 Personen starke Gruppe, darunter aktive Turnerinnen und Turner, aber auch ältere Herren, offenbar Vereinsfunktionäre, nach ihrer Ankunft in Walldürn vor und auf dem LKW, mit dem sie angereist waren; die Ladefläche war mit Planen als Regenschutz überspannt. Es gehörte schon sehr viel Idealismus dazu, unter solchen Bedingungen zu einer Sportveranstaltung zu reisen – ganz abgesehen von den gravierenden Problemen der Verkehrssicherheit; nach heutigen Maßstäben wäre ein solcher Personentransport auf einer LKW-Ladefläche absolut unzulässig.
Auch die Unterabteilungen traten wieder ins Leben, so die Gesangsriege und die Fußballriege; letztere löste sich allerdings 1924 wieder auf. Schon 1919 entstand eine „volkstümliche Abteilung“, die hauptsächlich Gewichtheben betrieb. In der Fachzeitung „Der Turnverein“ inserierte der Verein wegen des Ankaufs einer Scheibenhantel „bis 2 Zentner schwer“.
Aus den frühen 1920er Jahren sind einige Fotos erhalten, auf denen sich die Turner zur damals beliebten „Turnerpyramide“ formieren. Dabei posieren nicht nur Turner in teils gewagten Haltungen auf Turngeräten oder Schultern, einige stemmen auch Hanteln mit Gewichten. Lange existierte diese schwerathletische Abteilung nicht.
Wichtiger wurde das „volkstümliche Turnen“, das es schon in der Vorkriegszeit vorübergehend gegeben hatte. Im Februar 1924 wurde diese Leichtathletik- Riege gegründet. Seit Mitte der 1920er Jahre gehörten bei Sportveranstaltungen der Turner leichtathletische Wettkämpfe fast immer zum Programm. Adolf Mause, seit 1924 Turnwart und fast ein halbes Jahrhundert für den Turnverein in vorderster Reihe aktiv, war ein hervorragender Turner und Leichtathlet. Bei den Gaumeisterschaften 1926 in Sennfeld siegte er in zwei Disziplinen: im Geräteturnen und im Stabhochsprung. Die Meistertitel im 100m-Lauf, im Hochsprung und im Siebenkampf gingen ebenfalls an Turner aus Tauberbischofsheim.
Auch die Damenriege, die sich schon 1919 neu formiert hatte, machte jetzt wieder durch verstärkte Aktivitäten auf sich aufmerksam. Sie nahm an zahlreichen Wettkämpfen mit gutem Erfolg teil, so etwa beim Frauenturnfest 1925 in Heidelberg. Die Zahl der sportbegeisterten Frauen und Mädchen nahm stark zu, so dass man nach Altersgruppen aufteilen und drei Riegen bilden musste: Damen, Mädchen, Zöglinge.
Die Inflation von 1923 traf auch den Turnverein hart. Am 5. August dieses Jahres feierte er sein 60-jähriges Bestehen und verband dies mit einem Gauturnfest. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Inflation fand die Veranstaltung statt und war deswegen finanziell kaum mehr überschaubar. Die für eine der Festveranstaltungen engagierte Musikkapelle verlangte sechs Millionen Mark; der Verein kam schließlich mit drei Millionen Mark davon. Wenig später musste sogar in Milliarden und Billionen gerechnet werden. Eine geordnete Jahresrechnung war da nicht mehr zu erstellen. Deswegen verzichtete der Verein 1923 auf eine Jahreshauptversammlung.
Bei den Sportstätten brachte das Jahr 1922 eine spürbare Verbesserung. Die Stadt baute einen neuen Sportplatz, und zwar dort, wo sich heute die Grünewaldhalle und der Hartplatz befinden. Nutznießer war zwar in erster Linie der seit 1921 bestehende „Sportverein“, also die Fußballer, aber auch die Turner und Leichtathleten profitierten von der neuen, stadtnah gelegenen Sportanlage.
Unerfüllt blieb jedoch ein anderer Wunsch des Turnvereins: der Bau einer neuen Sporthalle. Die alte Turnhalle an der Schmiederstraße genügte den Ansprüchen nicht mehr und reichte für den Trainings- und Wettkampfbetrieb bei weitem nicht mehr aus. Anfang der 1930er Jahre wurde die Turnerfamilie noch größer. In einer Turnratssitzung vom 24. Oktober 1930 wurde „die Aufstellung einer Handballriege angeregt“. 1931 befand sich die neue Riege bereits im Spielbetrieb und erhielt laut Turnratsbeschluss vom 8. Juni 1931 „zur Durchführung der Verbandsspiele die jeweilige Fahrtentschädigung“. 1932 kam noch eine Fechterriege dazu, die zwar nur einige Jahre Bestand hatte, aber ebenfalls Trainingsmöglichkeiten benötigte. Auf eine neue Halle mussten die Sportler jedoch bis 1955 warten.
Die Versuche des Turnvereins, das Problem eines Hallenneubaus durch eigene Initiativen einer Lösung näherzubringen, waren nicht sonderlich erfolgversprechend. 1924 machte der Schriftführer Hans Ziegler in einer Sitzung des Turnrats den Vorschlag, eine Kasse für den Turnhallenneubau anzulegen. Bei einer Tischsammlung kam an diesem Abend der Betrag von 14,10 Mark zusammen. Von weiteren Sammlungen oder Spenden für die Turnhallenkasse ist in den Unterlagen nicht mehr die Rede. Die Idee scheint wieder eingeschlafen zu sein.
Trotz knapper Kassen blieb die Solidarität mit anderen Turnvereinen immer lebendig. Wie einige Protokolleinträge belegen, überwies der Verein Spenden für den Turnhallenneubau nach Königshofen, ja sogar nach Haslach im Kinzigtal, wohin wahrscheinlich durch ein Vereinsmitglied besondere Beziehungen bestanden.
Eine für die damalige Zeit typische Veranstaltung, bei der die nationale Tradition der Turnvereine aus dem 19. Jahrhundert nachwirkte, war der „Hermannslauf“ vom 14. – 16. August 1925. Die 50-jährige Wiederkehr der Einweihung des Hermannsdenkmals, das an die Schlacht im Teutoburger Wald (9 n. Chr.) erinnerte und an den Befreier Germaniens von römischer Herrschaft, den Cheruskerfürsten Arminius (seit dem 18. Jahrhundert eigentlich unzutreffend mit „Hermann“ gleichgesetzt), nahm die Deutsche Turnerschaft zum Anlass, einen Sternstaffellauf aus allen deutschen Gauen, insgesamt 16 Hauptläufe, zum Denkmal bei Detmold zu organisieren. Auch der Main-Neckar-Turngau beteiligte sich mit einem Nebenlauf, der in Wertheim begann und über Tauberbischofsheim, Lauda, Boxberg, Adelsheim, Mosbach bis Neckarelz führte, wo er in einen vom Bodenseeraum kommenden Hauptlauf mündete. Im Protokollbuch des Turnvereins werden 53 Teilnehmer aus Tauberbischofsheim genannt, die mindestens eine Teilstrecke zurücklegten. Der über das Großereignis gedrehte Film war in ganz Deutschland ein Erfolg und wurde am 5. Dezember 1926 auch in Tauberbischofsheim gezeigt.
Im Turnverein wurde nicht nur Sport betrieben; es gab auch immer wieder gesellige und kulturelle Veranstaltungen für die Mitglieder: Tanz- und Unterhaltungsabende, Theateraufführungen, Filmvorführungen, Faschingsbälle, Weihnachtsbescherung für Kinder u. a. Im geselligen Leben der Stadt spielte der Turnverein eine wichtige Rolle. Zu anderen Vereinen bestanden enge Kontakte. Freundschaftliche Beziehungen gab es vor allem zum Spessartverein, mit dem man gemeinsam die nach dem langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Turnerschaft Ferdinand Götz (1826 – 1915) benannten „Götz-Wanderungen“ unternahm, und zum Männergesangverein „Liederkranz“. Als dieser am 10. Februar 1929 den 50. Geburtstag des aus Tauberbischofsheim stammenden Komponisten Richard Trunk mit einer größeren Veranstaltung feierte, war der Turnverein ebenfalls beteiligt.
Auch soziale und karitative Projekte wurden vom Turnverein unterstützt, so etwa die „Winternothilfe“, die sich die Unterstützung besonders Bedürftiger zum Ziel gesetzt hatte. Als Beispiel sei eine Veranstaltung am 17. Januar 1932 genannt, die in den Sälen des „Badischen Hofes“ stattfand und deren Ertrag voll dieser sozialen Hilfsorganisation zugutekam. Das umfangreiche turnerische Programm, musikalisch umrahmt vom gemischten Chor der Aufbauoberrealschule unter der Leitung des Musiklehrers Paul Julier, fand großen Anklang bei den Zuschauern, welche dem „Tauber- und Frankenboten“ zufolge „die beiden Säle bis auf den letzten Platz gefüllt hatten“.
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